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Fußball für Frieden & Inklusion: Interview mit Simon Madol 

12.08.2024
Simon Madol auf dem Fußballplatz, er lächelt in die Kamera, hinter ihm trainiert seine Blindenfußballmannschaft
  • Behindertenrechte

Simon Madol ist Trainer des südsudanesischen Blindenfußball-Nationalteams und leitet die südsudanesische Blindenfußball-Liga. Zudem hat der 26-Jährige ein Diplom der Universität Juba in Kommunikation und Public Relations und ist Inklusionsberater bei Licht für die Welt. Wir haben ihn gefragt, was Fußball für ihn bedeutet, welche Rolle Sport bei der Inklusion von Menschen mit Behinderungen spielt und ob seine Mannschaft die Paralympischen Spiele verfolgt.

Eine bewegte Vergangenheit 

2013 brauch im Südsudan Krieg aus. Simon Madol und seine Familie waren gezwungen aus ihrer Heimat in der Nähe von Bor City zu fliehen. Simon Madol, damals noch ein Teenager, erinnert sich auch über zehn Jahre später noch gut an diese schreckliche Zeit: 

Sogar auf unserem Weg hierher konnten wir Leichen im Fluss treiben sehen.

Simon Madol

Zuflucht findet die Familie in einem Lager für Vertriebene in Juba, Haupstadt des Südsudans. Doch auch im Lager gibt es Spannungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen: „Die meisten Leute stammten entweder von den Dinka-, Murle- oder Anyuak-Stämmen. Und weil sich die Leute aus den verschiedenen Stämmen nicht gut kannten und den Stress des Konflikts bewältigten, waren sie nicht glücklich. Es gab viel Spannung. Alles, was den Leuten wichtig war, war ihr Stamm, und sie gerieten oft in Kämpfe miteinander.“ 

Fußball für Frieden … 

2014 begann Licht für die Welt, mit finanzieller Unterstützung der UEFA Foundation, im Lager zu arbeiten: Es wurden Fußballspiele organisiert, bei der alle in einem Team spielten: 

“Wir begannen, als Team zu spielen, unabhängig vom Stamm, alle mit demselben Ziel. Und wenn einer von uns ein Tor schoss, feierten wir alle. Sogar mit denen, gegen die wir noch einige Monate zuvor im Lager gekämpft hatten. Wir taten zum ersten Mal alle zusammen etwas.”, erinnert sich Simon Madol. 

… und für Inklusion 

2019 wurde Simon Madol zum Inklusionsberater von Licht für die Welt ausgebildet. Er erkannte, dass Menschen mit Behinderungen Sport genauso brauchen wie diejenigen ohne Behinderung. Ein Jahr später gründete er, gemeinsam mit Licht für die Welt, eine Blindenfußballmannschaft in Juba. 

Simon Madol wird von einer Frau interviewed
Simon Madol erklärt einer Journalistin, wie Blindenfußball funktioniert.

Wir haben mit Simon Madol über Sport und Inklusion – und natürlich über Fußball – gesprochen: 

Wann und warum haben Sie angefangen, Fußball zu spielen, und was bedeutet der Sport für Sie persönlich? 

Ich wurde Fußballer, als ich neun Jahre alt war, während der Weltmeisterschaft 2006, die von Italien gewonnen wurde. Anfangs war es nur aus Liebe zum Spiel, aber später erkannte ich, dass es mir darüber hinaus noch viel mehr gibt. Nach jedem gewonnenen Spiel war ich glücklich, hatte neue Freundschaften geschlossen und das Gefühl etwas erreicht zu haben. Ich persönlich glaube, dass Fußball eine universelle Sprache ist, die genutzt werden kann, um Menschen unabhängig von ihrer Behinderung, ihrem Bildungsstand, ihrer Religion oder ihrem Hintergrund zusammenzubringen. 

Spielt Sport eine Rolle bei der Inklusion von Menschen mit Behinderungen im Südsudan?  

Sport spielt eine sehr große technische Rolle bei der Inklusion von Menschen mit Behinderungen im Südsudan; wir nutzen Sport als Medium, um Menschen mit und ohne Behinderungen die Möglichkeit zu geben, neue Freundschaften und Kooperationen zu knüpfen, Selbstvertrauen zu gewinnen, Lebenskompetenzen zu entwickeln und produktive Mitglieder der Gesellschaft zu werden. Darüber hinaus nutzen wir Sport, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie produktiv Menschen mit Behinderungen in einer barrierefreien Umgebung sein können. Sportarten wie Blindenfußball dienen zudem als Wissens- und Erfahrungsschatz für Freiwillige und Familienangehörige. 

Welche Rolle spielt Sport für die mentale und körperliche Entwicklung von Menschen mit Behinderungen? 

Menschen mit Behinderungen neigen dazu, an Depressionen und Stress zu leiden, wenn sie untätig bleiben. Sport spielt jedoch eine einzigartige Rolle für ihre mentale und körperliche Entwicklung. Durch Sport kommen sie in eine andere Umgebung (Sportzentren) können neue Freunde finden, ihr Gehirn durch den Austausch von Ideen trainieren und Disziplin erlernen. Dies wirkt sich positiv auf ihre Körperwahrnehmung aus, was die Stimmung hebt und Stress reduziert. Ebenso trägt Sport zur körperlichen Entwicklung von Menschen mit Behinderungen bei: Durch regelmäßiges Training werden ihre Körper stärker, die Muskelkraft nimmt zu, das Energieniveau steigt und sie verbessern ihre Fitness und das Gleichgewicht. 

Spielt Sport/Blindenfußball auch eine Rolle für die öffentliche Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen? 

Blindenfußball hat großen Einfluss darauf, wie die Öffentlichkeit Menschen mit Behinderungen wahrnimmt. Blindenfußballer werden nun als Vorbilder und inspirierende Personen angesehen, die zur Entwicklung des Landes beitragen können. Dadurch sind die Menschen nun bereit, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu unterstützen, ohne dazu gedrängt werden zu müssen. 

Spielen die Paralympics eine Rolle für die Blindenfußballer im Südsudan? Verfolgen sie die Spiele? Haben sie das Ziel, sich zu qualifizieren? 

Die Teilnahme an den Paralympics ist seit Beginn des Blindenfußballs eines unserer obersten Ziele. Dadurch würden wir unser Land repräsentieren, unsere Fähigkeiten zeigen und Türen für zukünftige Generationen öffnen. Obwohl einige der Spieler aufgrund fehlenden Internets und Fernsehens nicht alle Paralympics-Spiele verfolgen, wissen wir alle, dass sie existieren und wir bald dort teilnehmen werden.